Ute Thiel im "Haus Burgund"

sp. - Als Stipendiatin des Landes Rheinland-Pfalz verbrachte Ute Thiel den Sommer 1997 in Semur-en-Auxois. Eine Ausstellung im "Haus Burgund" zeigt Zeichnungen und Plastiken aus dieser Zeit.

Die archaisch-verschlüsselt anmutende Erotik der kunstwerke nimmt den Betrachter gefangen. Sich ineinander windende Formen, Rundungen und Ellipsen verdichten sich zu einer Formensprache, deren sinnlicher Reiz weit über das rein optisch Erfahrbare hinausgeht. Selbst die Zeichnungen wünscht man betasten zu dürfen, deren Bildgegenstände zu Sinnzeichen mythischer Weiblichkeit erwachsen. So entstehen Bild-Metaphern, deren Enträtselung dem Betrachter eine erweiterte Dimension von femininer Wirklichkeit offenbart. Thiels Formen und Körper - oft nur auf die Konturen reduziert - wirken aber dennoch keusch, ja unschuldig. Die Künstlerin provoziert nicht, sie stellt dar, macht sichtbar. Die kleinen Rakukeramiken, leider mit Plastikhüllen geschützt, korrespondieren mit den Bildern, wenn sie die gleiche künstlerische Sprache sprechen. Was bei den Zeichnungen ein Wunsch bleiben mußte, nämlich das Betasten und Begreifen, ist bei den Miniaturplastiken gewollt. Jetzt wird für den bis dahin nur Schauenden die sinnliche Spannung der Werke durch den Tastsinn erfahrbar, die Thiels Zeichnungen optisch angekündigt haben.

in: Mainzer Allgemeine Zeitung, 9.2.1998