1999 entdeckte Ute Thiel ihre Plastik "Madonna á Piero" von 1994 neu und begann mithilfe einer Abformung der Figur, Varianten davon zu entwickeln. Die Negativform aus Gummi hatte mehrere Jahre unbenutzt in Ute Thiels Werkstatt gelegen, bevor die Künstlerin 1999 mit ihrer Hilfe der Keramikerin Theresia Hebenstreit das Abformen mittels Gumminegativ erklärte:
"Man drückt die Negativform mit Ton aus und erhält so ein Duplikat der Original-Figur als Ausgangsbasis. Dieses Duplikat kann man im feuchten Zustand überarbeiten und verändern. Die so entstandenen Figuren ähneln sich zwar noch, durch die individuelle Überarbeitung werden sie aber selbst zu Unikaten."
Die Negativform der "Madonna á Piero" wurde zur Demonstration dieses Abformungsprozesses benutzt. So entstanden unter anderen die Keramikfiguren "Gallierin" und "Inderin". Sie tragen die Handschrift beider Künstlerinnen; Farbe, kleinteilige Gesichter und gedrehte Teile variierten die von Ute Thiel zur Verfügung gestellte Plastik. Das Projekt inspirierte Ute Thiel, die alte Abgussform wieder zu nutzen. Sie begann mit viel Vergnügen damit zu spielen.
Im gleichen Jahr luden die "Künstlerinnen in der Region" (Fulda) Ute Thiel ein, an der Ausstellung "Torheiten lassen bitten" teilzunehmen. In den Torhäusern von Schloss Fasanerie in Eichenzell zeigte Ute Thiel eine Reihe der neuen Keramikfiguren und nannte sie "Follies".
Inspiriert wurde Ute Thiel durch die Dächer des barocken Schlosses, die nicht mit den üblichen Pinienzapfen oder Kugeln sondern mit Ananasfrüchten gekrönt sind. Ute Thiels "Follies" balancierten auf und jonglierten mit mehr oder weniger abstrahierten Ananasfrüchten. Dieses begeistert aufgenommene Projekt bei "Torheiten lassen bitten" war Ausgangspunkt für eine Einzelausstellung im Badehaus des Schlosses (2001).
In der Zwischenzeit sammelte Ute Thiel begeisterte aber auch negative Kritik zu diesem neuen Aspekt ihrer Arbeit. Das Hauptproblem der Kritiker war, dass die Arbeiten figürlich, verspielt und bunt waren und damit im Gegensatz zu den bisherigen abstrakt-reduzierten schwarzen Arbeiten Ute Thiels standen.
2003 beschloss sie deshalb, die "follies" weiter zu entwickeln, diesen Zweig aber von ihrer restlichen künstlerischen Arbeit deutlich zu trennen. Durch die Gründung des Projekts "Manufaktur Charlotte Vagt" werden die "Follies" nicht mehr unmittelbar mit den anderen Arbeiten Ute Thiels verbunden, sondern können unvoreingenommener wahrgenommen und gewertet werden.
Manufaktur bedeutet, dass die Plastiken in Handarbeit hergestellt werden. Rein handwerkliche Arbeiten wie das Ausdrücken der Gummiformen mit Ton, das Zusammenbauen der Figuren und das Beschicken des Brennofens können von Mitarbeitern übernommen werden. Die Überarbeitung und künstlerische Gestaltung bleibt weiterhin in den Händen von Ute Thiel. Das Logo setzt sich zusammen aus der Signatur "Charlotte Vagt" und "Manufaktur".
Wer ist nun Charlotte Vagt? "Frau Vagt" ist eine Reminiszenz an Ute Thiels Ehemann, Herrn Vagt. "Charlotte" (in Kombination mit "Elisabeth") war ein in Ute Thiels Familie über mehrere Generationen gebräuchlicher Frauenname, der an Lieselotte von der Pfalz erinnerte.
2004 startet die Manufaktur Charlotte Vagt ihre Ausstellungstätigkeit in der Galerie Rosenrot in Mannheim-Feudenheim. Die Galeristin Margot Werno-Strobel knüpft damit an die Ausstellung der "Körperschmeichlerinnen" von Ute Thiel im Jahr 2000 an.